MR. DE SAINTE COLOMBE LE FILS Pièces de Viole
Jordi Savall
21,99€
Ausverkauft
Reference: AV9827
- Jordi Savall
- Jean-Pierre Marielle, Récitant
Die sechs Suiten für Sologambe von Sainte Colombe dem Jüngeren wurden in der Dombibliothek der nordenglischen Stadt Durham aufgefunden; sie wurden zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts von Philip Falle kopiert, einem Kanonikus an der Kathedrale. Von gleicher Hand ist ein theologisches Werk erhalten, das von Pastor Henri Auger de Sainte Colombe aus der französischen Region Béarn signiert ist, bei dem es sich unzweifelhaft um ein Mitglied derselben Familie handelt wie die gleichnamigen Musiker.
Obwohl die Familie Sainte Colombe Opfer ihrer eigenen Diskretion wurde (trotz beharrlicher Forschung ist die aufgefundene Information noch immer mit Zweifeln behaftet), hat sie bewunderswerte Musikwerke – allesamt in handschriftlicher Form – hinterlassen, die in den letzten Jahren zutage gefördert worden sind.
Monsieur de Sainte Colombe, der durch den Film Tous les matins du Monde (“Die siebente Saite”) verewigt worden ist, entspricht vielleicht nicht ganz unserer bisherigen Vorstellung. Und was Sainte Colombe den Jüngeren angeht, so ist seine Spur vor kurzem wieder aufgefunden worden … und zwar in England.
Soweit bisher bekannt, scheint die Familie aus dem Südwesten Frankreichs zu stammen. Der Taufname des Vaters war Jean, und er scheint den größtern Teil seines Lebens in Paris verbracht zu haben. Nach seinem eigenen Studium bei NicolasHotman bildete er selbst mehrere Musiker aus: Pierre Méliton, Jean Desfontaines, Jean Rousseau (dessen Traité de la viole ihm 1687 gewidmet wurde), Danoville (der in seiner ebenfalls 1687 veröffentlichten Art de toucher les dessus et la basse de viole seinen Lehrmeister als “Orpheus seines Zeitalters” bezeichnete). Der bedeutendste aller seiner Schüler war Marin Marais, von dem Titon du Tillet in seinem Parnasse François von 1732 die fogende wunderbare Geschichte yu berichten wusste: Sainte Colombe, “der nach sechs Monaten erkannte, dass sein Schüler ihn wohl übertreffen könnte, teilte ihm mit, er habe ihm nichts mehr beizubringen. Doch Marais, der sich leidenschaftlich für die Gambe begeisterte, war darauf bedacht, vom Meister zu lernen und seine Spieltechnik an diesem Instrument zu vervollkommnen; da er Erlaubnis hatte, das Haus seines Meisters nach Belieben zu besuchen, verbrachte er den Sommer hindurch seine Tage dort, während der sich Sainte Colombe meist in eine kleine Hütte einschloss, die er im Geäst eines Maulbeerbaums errichtet hatte, um dort ungestört und nach Herzenslust die Gambe zu spielen. Marais pflegte sich unter die Hütte zu schleichen, um von dort aus seinem Meister zu lauschen, wobei er sich einige der Passagen und insbesondere Geheimnisse der Bogenführung einprägte, die Meister der Kunst gewöhnlich für sich behalten wollen. Dies sollte jedoch nicht lange währen, denn Sainte Colombe bekam bald Wind davon und leitete Maßnahmen in die Wege, um in Zukunft nicht mehr von seinem Schüler belauscht zu werden”. Dieser Text kündet von der großen Schlichtheit – man könnte sogar von einer gewissen Askese sprechen –, die dem Musiker trotz der ihm allerseits entgegengebrachten Bewunderung eigen war. Diese Zurückhaltung könnte etwas mit Sainte Colombes Verbindungen zum Protestantismus zu tun haben, bezeugt von seiner Bekanntschaft mit Etienne Bourdet (einem Marineoffizier, dem sein Kommando in der Marine de Ponant entzogen wurde, als Ludwig XIV. 1685 das Edikt von Nantes widerrief), außerdem von einer Anmerkung im Haager Manuskript (dem Register aller Protestanten der Kirche von Charenton): “Colombe, dessen religiöses Verhalten höchst suspekt war, 1700”.
Titon du Tillet, dem wir den größten Teil unserer Informationen über Sainte Colombe verdanken, erwähnt zwei seiner Töchter, die beide “musizierten, die eine auf der Diskantgambe und die andere auf der Bassgambe, und zusammen mit ihrem Vater bildeten sie ein Ensemble aus drei Gamben”. Diese beiden Töchter sind als Françoise und Brigitte identifiziert worden, die in künstlerisch gesinnte protestantische Familien einheirateten. Hingegen ist Rémond de Saint-Mard in seinen Réflexions sur l’opéra die einzige Quelle für einen “Sohn des Monsieur de Sainte Colombe, der unehelich geboren wurde und die nötige Phantasie zum Lügen vermissen ließ”. Wahrscheinlich auf Grund seiner religiösen Überzeugungen ließ sich diesere Sohn in England nieder, nachdem er ohne Zweifel ebenfalls Unterricht bei seinem berühmten Vater genommen hatte. Das großartige Tombeau, das er gleich dem von Marin Marais 1701 zum Gedenken an Sainte Colombe veröffentlichte, ist offenkundiges Zeugnis ihrer Beziehung zueinander und zollt ihr Tribut. In seinem Heimatland hoch angesehen, wurde Sainte Colombe der Jüngere 1707 in Edinburgh Gambenlehrer der Miss Grisel Baillie, und am 14. Mai 1713 wurde in London ein Konzert zu seinen Ehren gegeben.
Die sechs Suiten für Sologambe von Sainte Colombe dem Jüngeren wurden in der Dombibliothek der nordenglischen Stadt Durham aufgefunden; sie wurden zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts von Philip Falle kopiert, einem Kanonikus an der Kathedrale. Von gleicher Hand ist ein theologisches Werk erhalten, das von Pastor Henri Auger de Sainte Colombe aus der französischen Region Béarn signiert ist, bei dem es sich unzweifelhaft um ein Mitglied derselben Familie handelt wie die gleichnamigen Musiker.
Die Werke von Sainte Colombe dem Jüngeren gehören eher in die französische als die englische Tradition der Gambenmusik (das Instrument kam um diese Zeit in England allmählich außer Gebrauch), obwohl der Komponist die traditionelle sechssaitige Gambe statt dem in Frankreich üblichen siebensaitigen Instrument verwendet – die siebente Saite war eine von seinem Vater eingeführte Neuerung. Im Gegensatz zu diesem komponierte Sainte Colombe der Jüngere für unbegleitete Sologambe, wie es der wechselnde Geschmack verlangte, der auch in den Werken von Marais zu erkennen ist. Der Junior gab endgültig die pièces à titre auf, diesein Vater kultiviert hatte und folgte (außer im Falle des Tombeau der sechsten Suite) der klassischen Abfolge von Tanzsuiten, wie sie am Ende des siebzehnten Jahrhunderts sowohl in der Cembalo- wie in der Kammermusik üblich war.
CATHERINE CESSAC
Übersetzung Anne Steeb/Bernd Müller
Bibliographie:
DUNFORD Jonathan, “Les musiciens français antérieurs à Marin Marais (2)”, in: L’Echo de la viole Nr. 4, 2000, S. 2/3
VAAST Corinne, “Monsieur de Sainte Colombe protestant?”, in: Bulletin de la Société d’Histoire du Protestantisme Français, Juli/September 1998, S. 591-601
“A propos de M. de Sainte Colombe”, ebd., Janur-März 1999, S. 189-191
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