J.S. BACH L’Ofrena Musical
Jordi Savall, Le Concert des Nations
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Reference: AV9817
- Jordi Savall
- Le Concert des Nations
Von allen Spätwerken Bachs, bedeutenden Kompositionen, die eine Synthese seiner Kunst und Methodik darstellen, ist das Musikalische Opfer das bei weitem bekannteste. Seine Popularität unter Musikliebhabern hat die der Goldberg-Variationen und der Kunst der Fuge übertroffen, denen wiederum der zweite Teil des Wohltemperierten Klaviers, die Canonischen Veränderungen und die Leipziger Choräle für Orgel diesbezüglich kaum nachstehen.
Es gibt für die Popularität des Werks mehrere Gründe, allen voran der Zauber der bewundernswerten Triosonate, die darin einen wichtigen Platz einnimmt. Die Musiker von heute bringen ihr das gleiche leidenschaftliche Interesse entgegen, zu dem die Kanons Schönberg und Strawinski angeregt haben, und haben das gleiche Bedürfnis nach eingehender Analyse wie Webern, der eine meisterhafte Orchestrierung des Ricercar a 6 vorgelegt hat. Vielleicht hat auch die mehr oder weniger legendäre Anekdote seiner Entstehung das Publikum neugierig auf ein Werk gemacht, das zum Teil nach wie vor geheimnisumwittert is.
Halten wir kurz inne, um die Umstände zu bedenken, die zum Musikalischen Opfer geführt haben. Bachs zweiter Sohn Carl Philipp Emanuel stand schon einige Jahre als Cembalist in Diensten Friedrichs II., des jungen Königs von Preussen. Der interessierte sich leidenschaftlich für Musik und bedrängte C.Ph.E. Bach, den „alten Bach“ an seinen Hof zu holen. Im Frühjahr 1747 traf J.S. Bach, der damals zweiundsechzig Jahre alt war, in Begleitung seines ältesten Sohns Wilhelm Friedemann in Potsdam ein. Dort angekommen wurde er zum Schloß befohlen. In der Presse wurde über das Ereignis berichtet: “Des Abends, gegen die Zeit, da die gewöhnliche Cammer-Music in den Königl. Apartements anzugehen pflegt, ward Sr. Majest. berichtet, daß der Capellmeister Bach in Potsdamm angelanget sey, und daß er sich jetzo in Dero Vor Cammer aufhalte, allwo er Dero allergnädigste Erlaubniß erwarte, der Music zu hören zu dürfen. Höchstdieselben ertheilten sogleich Befehl, ihn herein kommen zu lassen, und giengen bey dessen Eintritt an das sogenannte Forte und Piano, geruheten auch, ohne einige Vorbereitung in eigner höchster Person dem Capellmeister Bach ein Thema vorzuspielen, welches er in einer Fuga ausführen solte. […] Herr Bach fand das ihm aufgegebene Thema so ausbündig schön, daß er es in einer ordentlichen Fuga zu Papiere bringen, und hernach in Kupfer stechen lassen will”.
Nicht lange danach bestätigte C.Ph.E. Bach in dem Nachruf, den er seinem Vater widmete, den Bericht und fügte hinzu: “Nach seiner Zurückkunft nach Leipzig, brachte er ein dreystimmiges und ein sechsstimmiges so genanntes Ricercar, nebst noch einigen andern Kunststücken über das eben von Seiner Majestät ihm augegebene Thema, zu Papiere, und widmete es, in Kupfer gestochen, dem Könige”.
Bach überschrieb das Werk wie folgt: Regis Iussu Cantio Et Reliqua Canonica Arte Resoluta („Der auf Geheiß des Königs ausgeführte Satz und das übrige nach Kanonkunst gelöst“). Die Anfangsbuchstaben der Überschrift bilden das Akrostichon Ricercar und lassen an den Forscherdrang denken, aus dem das Werk hervorgegangen ist, an die Gattung der Fuge und an die drei- bzw. sechsstimmigen Ricercare, welche die Eckpfeiler des Werks bilden.
Wir wollen uns nicht mit den Einzelheiten dessen aufhalten, was als nächstes geschah, es sei denn, um festzustellen, daß Bach das Werk nach und nach in fünf getrennten Teilen gravieren ließ, daß jedoch nirgendwo ein vollständiges, mit korrekten Seitenzahlen versehenes Exemplar bis heute erhalten ist. Das hat zu zahlreichen Spekulationen über den möglicherweise unvollständigen Charakter des Werks geführt, ebenso über die vorgesehene Reihenfolge der Stücke und die symbolischen Intentione, die ihnen zugrundeliegen.
Die Reihenfolge, die Jordi Savall für die vorliegende Einspielung gewählt hat, ist nicht als musikwissenschaftliche Aussage gedacht, sondern vielmehr die Ausdeutung eines Musikers einer außergewöhnlich gehaltvollen und komplexen Partitur, von der sich heute nicht mit Sicherheit sagen läßt, wie man sie anpacken soll. Savall hat sich für die schöne bogenförmige Struktur entschieden, die als die zufriedenstellendste erscheint: Auf das einleitende Ricercar a 3 antwortet das abschließende Ricercar a 6, das den Höhepunkt der gesamten kontrapunktischen Übung ausmacht; die Mitte nimmt die Triosonate ein. Wie originell Savalls Wahl ist, läßt sich an mehreren Stellen ersehen, beispielsweise in der Verkündung des Thema Regium (des königlichen Themas) zu Beginn, in der neuartigen Präsentation mehrerer Stücke (darunter das Ricercar a 6, das zum Abschluß des ersten Teils zum ersten Mal zu hören ist) und in der gestaffelten Anordnung der Kanons.
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