INVOCATION À LA NUIT

Hespèrion XXI, Jordi Savall, La Capella Reial de Catalunya, Le Concert des Nations, Montserrat Figueras

15,99


Reference: AV9861A+B

  • Montserrat Figueras
  • Hespèrion XXI. La Capella Reial de Catalunya
  • Le Concert des Nations
  • Jordi Savall

„Nachts ist es schön, an das Licht zu glauben.“Edmond Rostand1868-1918„Nun, da Himmel, Erde und Wind schweigen und der Schlaf Tiere und Vögel zur Ruhe bringt, führt die Nacht den gestirnten Wagen in die Runde, und ohne Welle ruht in seinem Bette das Meer. Ich wache, denke, brenne, weine…“, und das Wunder wird immer wieder in unserem Herzen vollbracht. Denn dank dem Genie großartiger Dichter wie Francesco Petrarca werden wir noch heute im 21. Jahrhundert von diesen zwar alten, jedoch ewig rührenden und anregenden Worten bewegt. Claudio Monteverdi vertonte sie in seinem wunderbaren Madrigal Hor che’l ciel et la terra und machte daraus eine ergreifende Anrufung. Durch das „recitar cantando“, so alt hergebracht und zeitlos zugleich, werden die Geheimnisse, die die Nacht in ihrer Unendlichkeit verbirgt, widerstandslos preisgegeben und berühren somit unser bezaubertes, nach Schönheit strebendes Herz zutiefst.Diese geheimnisvolle Nacht weiß die Stille, dieses so grundlegende Element der Musik, für sich allein aufzunehmen. So enthüllt die Nacht die innigsten Klagen, die verborgensten Freuden und das fernste Gemurmel. Auch dann entdecken wir das Schimmern des Mondes und der Sterne, das unser Bewusstsein als Teil der Unermesslichkeit des unendlichen Weltalls erweckt. Dadurch werden unsere Gedanken klar, und unsere Phantasie findet zu ihrer Freiheit zurück, die es uns ermöglicht, alles zu erreichen, was unser Herz begehrt.Die Nacht ist das Wohl der Seele, schreibt der arabische Dichter aus dem 10. Jahrhundert in einer der Erzählungen aus „Tausendundeiner Nacht“. Eine magische Zehl, diese 1001 Nächte, die wie ein kurzer Augenblick im Leben vorkommen, der weniger als drei Jahre dauert – genau 2 Jahre und 271 Nächte. Plötzlich überkommt mich der Gedanke, dass ich das Glück hatte, Tausendundeine Nacht über zwanzig Mal erlebt zu haben. Kindheitsnächte voller wunderbarer Entdeckungen, aber auch traurige Nächte, von Kriegsangst und Ungewissheit vor der Zukunft geplagt. Jugendnächte, von der Entdeckung und dem Kennenlernen der Liebe, der Freundschaft und des warmen Klangs des Cello beseelt. Klare Nächte im Frühling 1965 voller unvergesslicher Begegnungen mit der großen Liebe, der Gambe und ihren in Vergessenheit geratenen Melodien. Sternennächte in den Gärten des Klosters Pedralbes in Barcelona, wo ich mit Montserrat Figueras beschloss, unsere gemeinsame Reise in die Zukunft zu unternehmen, die noch ungewiss, aber auch voller Zuversicht und Hoffnung war, fest entschlossen, Glück und Unglück, Musik und Freundschaft, lebenslange Wege und Träume miteinander zu teilen.Ebenfalls in einer Sommernacht Ende Juli 1975 nahm ich gemeinsam mit Hopkinson Smith (Theorbe) und Anne Gallet (Cembalo) meine erste Einspielung mit der Musik des Zweiten Buches mit Stücken für Gambe von Marin Marais vor, die die Sammlung ASTRÉE (unter der Leitung ihres Gründers Michel Bernstein) einleitete. Die schöne kleine romanische Kirche Saint-Lambert des Bois in Versailles, wo wir aufnahmen, hatte eine ideale Akustik, doch die Nähe zu einem Flugplatz zwang uns, zwischen 20 und 5 Uhr zu spielen. Die Müdigkeit zu später Stunde veränderte häufig unsere Wahrnehmung bestimmter Werke, insbesondere der langsamen Sätze, die sich in der tiefen Stille der Nacht und dem Klangzauber der Kirche entfalteten und eine außergewöhnliche Ausdruckskraft ausstrahlten. Vor allem aber spürten wir, dass je später die Nacht fortschritt, umso größer der Bedarf war, den Mangel an körperlicher Kraft aufgrund des Tonusverlustes und der Müdigkeit durch eine größere seelische Anstrengung auszugleichen. Wir fühlten deutlich, dass der Geist dann einsetzte, wenn der Körper aufgab. So wurde ich mir der Vorzüge der Nacht bei der Aufführung von Stücken wie Les Voix Humaines, die Sarabanden und die Tombeaux bewusst.Wenige Monate später verdankten wir der Begeisterung des Produzenten Gerd Berg, dem Leiter der neuen Sammlung REFLEXE von EMI-ELEKTROLA, die Einladung zum Einspielen des neuen Progamms für spanische Musik im Basler Münstermuseum Anfang November 1975. Mitten in den Basler Winternächten nahmen wir unser erstes Doppelalbum über „Weltliche Musik im christlichen und jüdischen Spanien“ mit Montserrat Figueras und den Musikern von HESPÈRION XX auf.In der Zwischenzeit sind über zwölf Mal Tausendundeine Nacht vergangen, mit viel eingespielter und aufgeführter Musik, fast immer unter dem Zauber fortgeschrittener, ja fast morgendlicher Stunden. Als Erinnerung daran haben wie einige der schönsten Vokal- und Instrumentalwerke ausgewählt, die direkt oder indirekt mit der Nacht, dem Schlaf und den Friedens- und Trauerfeiern verbunden sind. Sie werden symbolisch als „Anrufung an die Nacht“, als Zeuge all dieser schöpferischen Jahre bei ASTRÉE/AUVIDIS (1975-1996) und ALIA VOX (1998-2008) vorgestellt. Insgesamt sind es über 140 Eisnpielungen, die durch die Zusammenarbeit, aber auch die teils großen Opfer an Müdigkeit unserer Tontechniker, insbesondere aber unserer Solosänger und -musiker sowie der treuen Mitarbeiter von HESPÈRION XX und XXI, LA CAPELLA REIAL DE CATALUNYA und LE CONCERT DES NATIONS ermöglicht wurden. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle unseren aufrichtigen Dank dafür aussprechen, dass so viele einzigartigen Momente der Gefühlsamkeit, der Pracht und des Lichts für die Ewigkeit festgehalten wurden. Dank unserer allmählichen Neuauflage des gesamten alten Katalogs von ASTRÉE/AUVIDIS auf ALIA VOX HERITAGE sind wir in der Lage, sie gemeinsam mit den in ALIA VOX weiterhin produzierten Neuerscheinungen der heutigen sowie den zukünftigen Generationen zu vermitteln. Edmond Rostand schrieb: „Nachts ist es schön, an das Licht zu glauben“, und so sind wir überzeugt, dass es dieses Lichts bedarf, um etwas Frieden in eine von zunehmend sinnloser und mörderischer Gewalt geplagte Welt zu bringen. „Es ist sehr schwierig, ohne Frieden in unserer Umgebung zu leben, doch es ist unmöglich, ohne Frieden im Inneren unserer Herzen zu leben“, sagte einmal der Philosoph Raimon Panikkar (geboren 1918) in seiner legendären Weisheit. Um diesen Frieden wieder zu finden, bleibt uns nur die Liebe und die Musik.JORDI SAVALLBellaterra, Nacht des 15. April 2008

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